Mittwoch, Juli 20, 2005

moskenstraumen


am südlichen ende der lofoten hängen zwei inseln, die fast nicht mehr dazu zu gehören scheinen. die südlichere von beiden ist røst, fast das ende der welt, um die soll es hier nicht gehen, sondern um værøy, so etwas wie der vorposten zum ende der welt. im sommer ist hier der hund begraben, verfroren, einfach nicht vorhanden. nichtmal fischer kommen hierher. dorsch-saison ist erst ab januar. dann soll hier ein bisschen das leben brummen, die geschützte bucht voller trawler sein, der dorsch wird zum bacalao weiterverabeitet. dabei trocknet er auf riesigen holzgestellen, geschützt vor den möwen durch töricht kleine vogelscheuchen. bevor er auf seine reise nach südeuropa geschickt wird. über der bucht hängt der geruch von fisch und teer. wenn man wollte, könnte man diese insel problemlos besuchen. eine fähre verkehrt täglich nach bodø zum festland, ebenso ein hubschrauber, der vom kleinen flughafen im osten der bucht startet und das kreischen der möwen mit dem knattern der rotorblätter für einen kurzen moment übertönt.
der tourismus der lofoten ist nicht wirklich bis hierher vorgedrungen. ein paar vogelfreunde machen sich auf zu den vogelfelsen, angler fahren raus in ihren nuss-schalen. es gibt einen bus und ein taxi, immerhin zwei supermärkte. im sommer frischen fisch zu kaufen, erweist sich als unmöglich. selber fangen wird angeraten. belächelt wird man nahezu ob der frage.
segler kommen auch hierher. gegenüber den anderen fischereihäfen der lofoten ist die dichte nahezu groß. immerhin vier yachten liegen schon an schwimmstegen bzw. an der pier, so dass wir an einer muring festmachen müssen. wahrscheinlich sind sie, wie wir, hierhergekommen, um den legendären moskenstraum in augenschein zu nehmen - jenen alles in die tiefe saugenden mahlstrom, der als der stärkste der welt gilt, in den edgar allan poe in "a descent into the maelström" seinen helden schickt und in den auch so manch anderer seebär schon geraten sein mag:
"Meine erste Erinnerung ist, daß ich in rauer See trieb, nackt und allein, in einer Walnußschale, denn ich war ursprünglich sehr, sehr klein. Ich erinnere mich weiterhin an ein Geräusch. Es war ein sehr großes Geräusch. wenn man noch so klein ist, neigt man dazu, die dinge zu überschätzen, aber heute weiß ich, daß es tatsächlich das größte Geräusch der Welt war.
Er zeugt wurde es vom monströsesten, gefährlichsten und lautesten Wasserwirbel der sieben Weltmeere - ich ahnte ja nicht, daß es der gefürchtete Malmstom war, auf den ich da in meinem Schälchen zuschaukelte. Für mich war es nur ein gewaltiges Gurgeln. Wahrscheinlich dachte ich damals (wenn man das schon denken nennen konnte), daß es wohl der natürlichste Zustand war, nackt in einer Nußschale auf dem offenen Meer einem ohrenbetäubenden Tosen entgegenzutreiben. Das Geräusch wurde mächtiger und mächtiger, die Nußschale schaukelte immer heftiger, und ich wußte natürlich auch nicht, daß ich schon längst in den Sog des Wirbels geraten war. In einer kilometerlangen Spirale tanzte mein winziges Boot, wahrscheinlich das kleinste der welt, dem brüllenden Abgrund entgegen.
Nun muß man bedenken, daß dies so ziemlich die aussichtsloseste Situation war, in die man auf See geraten konnte. Jeder Seemann, der sienen Verstand beisammen hatte, umschiffte das Gebiet des Malmstroms großräumig. Und selbst wenn irgend jemand u meiner Rettung angetreten wäre, hätte ihn dasselbe Schicksal ereilt. Er wäre mit auf den Grund des Meeres gezogen worden, denn kein Schiff war dem Sog des Wirbels gewachsen." (walter moers. die 13 1/2 leben des käpt'n blaubär)
vielleicht haben die vier yachten im hafen von værøy (von denen eine aus berlin kam und uns nicht längseits gehen lassen wollte, was in seglerkreisen als absolute schweinetat gilt) ihn auch schon hinter sich. wir werden sie nicht mehr fragen können, denn am nächsten morgen sind sie verschwunden - wir neben den einheimischen trawlern das letzte schiff im hafen. viel wind ist angesagt. 7 bis 8 aus nordost. erstmal ein bisschen zeit, um hohe berge zu erklimmen, vielleicht einen blick von oben auf den moskenstraumen zu erhaschen, darüber zu phantasieren, bei welcher wind-strom-konstellation das naturschauspiel wohl am besten zu sehen sei und sich zur guten nacht vom skipper die ganze poe-geschichte vorlesen zu lassen. bevor wir nach norden aufbrechen und uns auf dem weg nach moskenesøya dem tödlichen strudel stellen werden.