Dienstag, Juli 26, 2005

wer aufsteht, verliert!

teile der crew versuchen jedes jahr aufs neue alternative weckmethoden zu etablieren. da die meisten besatzungsmitglieder inklusive dem skipper auf das klingeln von fremdweckern nur unwillig bis gar nicht reagieren, muss zu härteren mitteln gegriffen werden: im pfeifenkessel wasser aufsetzten und dann selbst das schiff verlassen. da ich aber den trick schon kenne, drehe ich mich einfach auf die andere seite und warte. die falle schnappt zu. "wie kann die bei dem krach nur schlafen.", denkt eine andere. und verliert.

Sonntag, Juli 24, 2005

reinebriggen


kein norwegen-führer kommt ohne ein foto der aussicht vom reinebriggen hinunter gen westen über den kirchfjord aus. legendäres panorama. zu sehen, bei fitter konstitution, in etwa einer stunde von null auf weit über 400 höhenmeter. tief eingetrampelt ist der pfad zum aussichtspunkt. nur bei trockener witterung ratsam, da sich der weg sonst in einen unpassierbaren schlammbach verwandelt. wanderstöcke werden empfohlen, ebenso wie festes schuhwerk.
unser skipper hat die tour schon am vormittag gemacht, nach sehr kurzer nacht. ganz einsamer-wolf-mäßig. steil, sehr steil sei sie, sagt er, als er wieder unten ist, aber machbar. mir steckt noch eine grenzerfahrung am berg von vor zwei tagen in den gliedern und ich bin mir nicht sicher, ob ich es wagen will. aber die "schönste aussicht norwegens", wie einer unserer reiseführer schreibt, will ich mir nicht entgehen lassen, zumal keine wolke die aussicht trüben wird.
nach einem drittel - da haben wir die maximale steigung von 70 % noch nicht angefangen - verfluchen wir den skipper und fragen uns, wie wir wieder runterkommen sollen. wir schieben das problem auf, indem wir weiter klettern. menschen, die uns absteigend entgegen kommen, schweben fast mit leicht beschwingten gesichtern. das hilft, die letzten fünfzig höhenmeter noch eben zu überstehen. nach insgesamt etwa einer stunde - wie's der reiseführer schrieb - entschädigt uns die aussicht dann selbst. auch die vielen bilder, die wir von dem panorama schon gesehen haben, können den eindruck nicht schmälern. eine ganze weile in die ferne gucken. unter uns liegt reine am fuße einer steilen felswand, sogar unser schiff können wir sehen. nach westen schiebt sich der kirchfjord durch die lofotwand bis fast zum nordatlantik. im nordnordosten verschmelzen am horizont die lofoten mit der kontinentalen westküste. und im süden sehen wir, was wir schon hinter uns gebracht haben. runter ist dann doch gar nicht so problematisch wie gedacht. wir rutschen zwar mehr auf dem hintern als dass wir aufrecht gehen und klammern uns mit den händen im heidekraut fest, aber das ist deutlich lässiger für die gelenke. pünktlich zum abendessen stehen wir wieder an bord. geschafft, verdreckt, aber auch tief beeindruckt. auf unsere matte kritik (wir hätten tot sein können) an seiner wegbeschreibung entgegnet der skipper: "wieso, ich hab doch gesagt sehr steil, aber machbar.", während er den steinbeißer der pfanne übergibt.

reine machen

der vermeintlich sichere hafen entpuppt sich morgens, äh nachts, wie auch immer, nach nur zwei stunden schlaf jedenfalls, so gegen vier uhr, als achterbahn. aus unerfindlichen gründen setzt plötzlich schwell in den hafen. das schiff rollt in der uraltdünung. mein leesegel bekommt zum ersten mal in diesem urlaub seine berechtigung, während ich von steuerbord nach backbord und wieder zurück kugele. ich bin genervt, aber auch erfreut. ich bin diesmal nicht der skipper und muss deshalb - juchhee - keine entscheidung treffen. ich gebe mir selbst high fives und versuche wieder einzuschlafen. keine chance. irgendwann steht dann doch der skipper an deck. wir suchen unser heil in der flucht, um dem gegurke zu entgehen. zum glück hat der skipper am abend vorher nicht mit der mannschaft gezecht und ist bei klarem verstand. unterwegs nach reine wird die zeit genutzt, um brot und brötchen zu backen. schließlich haben wir unser letztes brot am vergangenen abend in feierlaune verschenkt. teile der mannschaft wundern sich wenige stunden später, dass der einschlafhafen sich vom aufwachhafen doch wesentlich unterscheidet.

Freitag, Juli 22, 2005

å


mit nordost 5 auf die mütze und dem moskenstraumen auf die backe ist unter segel keine höhe zu machen. ostsee-kreuzseen-geruckel statt atlantik-schwell-schaukeln. immerhin scheint die sonne. bevor wir vom strudel einverleibt werden jockeln wir lieber nach å. 18 meilen werden zu 35, aber wir kommen an.

Mittwoch, Juli 20, 2005

moskenstraumen


am südlichen ende der lofoten hängen zwei inseln, die fast nicht mehr dazu zu gehören scheinen. die südlichere von beiden ist røst, fast das ende der welt, um die soll es hier nicht gehen, sondern um værøy, so etwas wie der vorposten zum ende der welt. im sommer ist hier der hund begraben, verfroren, einfach nicht vorhanden. nichtmal fischer kommen hierher. dorsch-saison ist erst ab januar. dann soll hier ein bisschen das leben brummen, die geschützte bucht voller trawler sein, der dorsch wird zum bacalao weiterverabeitet. dabei trocknet er auf riesigen holzgestellen, geschützt vor den möwen durch töricht kleine vogelscheuchen. bevor er auf seine reise nach südeuropa geschickt wird. über der bucht hängt der geruch von fisch und teer. wenn man wollte, könnte man diese insel problemlos besuchen. eine fähre verkehrt täglich nach bodø zum festland, ebenso ein hubschrauber, der vom kleinen flughafen im osten der bucht startet und das kreischen der möwen mit dem knattern der rotorblätter für einen kurzen moment übertönt.
der tourismus der lofoten ist nicht wirklich bis hierher vorgedrungen. ein paar vogelfreunde machen sich auf zu den vogelfelsen, angler fahren raus in ihren nuss-schalen. es gibt einen bus und ein taxi, immerhin zwei supermärkte. im sommer frischen fisch zu kaufen, erweist sich als unmöglich. selber fangen wird angeraten. belächelt wird man nahezu ob der frage.
segler kommen auch hierher. gegenüber den anderen fischereihäfen der lofoten ist die dichte nahezu groß. immerhin vier yachten liegen schon an schwimmstegen bzw. an der pier, so dass wir an einer muring festmachen müssen. wahrscheinlich sind sie, wie wir, hierhergekommen, um den legendären moskenstraum in augenschein zu nehmen - jenen alles in die tiefe saugenden mahlstrom, der als der stärkste der welt gilt, in den edgar allan poe in "a descent into the maelström" seinen helden schickt und in den auch so manch anderer seebär schon geraten sein mag:
"Meine erste Erinnerung ist, daß ich in rauer See trieb, nackt und allein, in einer Walnußschale, denn ich war ursprünglich sehr, sehr klein. Ich erinnere mich weiterhin an ein Geräusch. Es war ein sehr großes Geräusch. wenn man noch so klein ist, neigt man dazu, die dinge zu überschätzen, aber heute weiß ich, daß es tatsächlich das größte Geräusch der Welt war.
Er zeugt wurde es vom monströsesten, gefährlichsten und lautesten Wasserwirbel der sieben Weltmeere - ich ahnte ja nicht, daß es der gefürchtete Malmstom war, auf den ich da in meinem Schälchen zuschaukelte. Für mich war es nur ein gewaltiges Gurgeln. Wahrscheinlich dachte ich damals (wenn man das schon denken nennen konnte), daß es wohl der natürlichste Zustand war, nackt in einer Nußschale auf dem offenen Meer einem ohrenbetäubenden Tosen entgegenzutreiben. Das Geräusch wurde mächtiger und mächtiger, die Nußschale schaukelte immer heftiger, und ich wußte natürlich auch nicht, daß ich schon längst in den Sog des Wirbels geraten war. In einer kilometerlangen Spirale tanzte mein winziges Boot, wahrscheinlich das kleinste der welt, dem brüllenden Abgrund entgegen.
Nun muß man bedenken, daß dies so ziemlich die aussichtsloseste Situation war, in die man auf See geraten konnte. Jeder Seemann, der sienen Verstand beisammen hatte, umschiffte das Gebiet des Malmstroms großräumig. Und selbst wenn irgend jemand u meiner Rettung angetreten wäre, hätte ihn dasselbe Schicksal ereilt. Er wäre mit auf den Grund des Meeres gezogen worden, denn kein Schiff war dem Sog des Wirbels gewachsen." (walter moers. die 13 1/2 leben des käpt'n blaubär)
vielleicht haben die vier yachten im hafen von værøy (von denen eine aus berlin kam und uns nicht längseits gehen lassen wollte, was in seglerkreisen als absolute schweinetat gilt) ihn auch schon hinter sich. wir werden sie nicht mehr fragen können, denn am nächsten morgen sind sie verschwunden - wir neben den einheimischen trawlern das letzte schiff im hafen. viel wind ist angesagt. 7 bis 8 aus nordost. erstmal ein bisschen zeit, um hohe berge zu erklimmen, vielleicht einen blick von oben auf den moskenstraumen zu erhaschen, darüber zu phantasieren, bei welcher wind-strom-konstellation das naturschauspiel wohl am besten zu sehen sei und sich zur guten nacht vom skipper die ganze poe-geschichte vorlesen zu lassen. bevor wir nach norden aufbrechen und uns auf dem weg nach moskenesøya dem tödlichen strudel stellen werden.